5. Berliner Mediensucht-Konferenz 2015

PROBLEME in
virtuellen Welten
brauchen HILFEN
in realen Netzwerken


13.11.2015
Berlin



BERICHT


„Wer braucht schon eine Diagnose!?“ Hinter diesem durchaus konfrontativ gemeinten Satz – wohl gleichzeitig Frage wie Feststellung – verbirgt sich ein wesentliches Leitmotiv vieler aktueller Maßnahmen, Projekte und Studien zum Thema Medienabhängigkeit: Die Suche nach der Verortung der immer größer werdenden Probleme von – nicht nur jungen! – Menschen im Umgang mit den medialen Angeboten unserer Zeit. Es geht um einen Platz in den „Koordinaten“ der Klassifikationssysteme zur Feststellung und Anerkennung eines Störungsbildes oder eines gesundheitsrelevanten Problems und damit auch um die Finanzierung von notwendigen Behandlungen. Auch die Symposien des Fachverbands Medienabhängigkeit e.V. beschäftigten sich in den letzten beiden Jahren intensiv mit den Fragen zur Einordnung: „Angekommen! – Die Aufnahme von Internet und Computerspielsucht in das DSM-V“ (2013) und „Medienabhängigkeit – Eine Verhaltenssucht auf dem Weg zum ICD-11“ (2014).

Unter der Schirmherrschaft der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Frau Marlene Mortler und in enger Kooperation mit dem Gesamtverband für Suchthilfe e.V. (GVS) und dem Netzwerk für Medienabhängigkeit in Berlin und Brandenburg wurde die Konferenz als Tagesveranstaltung mit zahlreichen, sich verknüpfenden Inhalten konzipiert.

Nach Grußworten durch den Vorstandsvorsitzenden des Fachverbands und Frau Mortler referierte PD Dr. Hans-Jürgen Rumpf zu: „Diagnostik und Klassifikation von Medienabhängigkeit: Wie weit sind wir? Was bleibt zu tun?“ und schlussfolgerte auf Basis der vorgestellten Daten, es handle sich um eine ernstzunehmende Störung mit 1% Häufigkeit, die in jüngeren Altersgruppen höher sei und der weiteren Forschung bedarf.

Die anschließende, hochkarätig aus Politik, Leistungsträgern, Fachverband, Praxis und Forschung besetzte Podiumsdiskussion wurde mit einem Update zur derzeitigen Situation gestartet, um sich dann mit dem Thema: „Wer braucht schon eine Diagnose?“ kritisch, reflektierend und auf den Forschungsstand bezogen auseinanderzusetzen. Dass es sich um ein eigenständiges Krankheitsbild handle, bot in Übereinstimmung die Grundlage für ganz unterschiedliche Positionen vom dysfunktionalen Medien-Gebrauch bis zur mehrheitlich geteilten Sichtweise einer Suchterkrankung und entsprechender Beratungs-/Behandlungsmodelle. Über die Finanzierung derselben wird sicherlich auch in Zukunft noch Forschungs- und Klärungsbedarf bestehen, weshalb vom Fachverband ein „runder Tisch“ aus Behandlern, Kostenträgern und Politik zur Entwicklung von Leitlinien angeregt wurde.

Dr. Stephan Humer aus dem Kreis des Netzwerks Berlin-Brandenburg stellte ein digitales Konzept für die Mediensuchthilfe vor, bei dem er geschickte Verknüpfungen zwischen kriegerisch geführten und gesellschaftlichen Revolutionen herstellte, um die Auswirkungen der sich verändernden Mediennutzung plastisch abzubilden.

Nach der Mittagspause und vielen zusätzlichen Anregungen durch die „Poster-Sessions“, bei der Einrichtungen Ihre Arbeit und Schwerpunkte vorstellen konnten, ging es in die Workshops zur Praxis von Prävention, Beratung und Behandlung. Die Bandbreite reichte von Net-Piloten (Andreas Pauly), virtueller Selbsthilfe (Patrick Durner), über „Psychopathologische und neuropsychologische Korrelate der Internetsucht“ (Matthias Brand), ungewöhnlichen Titeln wie „Wenn der Avatar den Müll runterträgt“ (Reto Cina/Robert Schöneck), bis hin zu „Ambulante Therapie bei exzessivem bis pathologischem Internetkonsum im Einzel- und Familiensetting“ (Niels Pruin).

Abgerundet wurde die Mediensucht-Konferenz vom Vortrag „Heimliche Heldinnen – Internetsüchtige Mädchen im deutschen Suchthilfesystem“ – von Markus Wirtz mit viel Esprit und beeindruckenden Bildern vorgetragen.