5. Symposium 2014

MEDIENABHÄNGIGKEIT
Eine Verhaltenssucht
auf dem Weg
zum ICD-11


30. und 31.10.2014
Hannover


Inzwischen kann das herbstliche Symposium des Fachverband Medienabhängigkeit e.V. fast schon als Tradition angesehen werden. Am 30. und 31. Oktober 2014 kamen erneut nationale und internationale Expertinnen und Experten in Hannover zusammen, um das interessierte Fachpublikum über neue wissenschaftliche Erkenntnisse rund um das Thema Mediensucht zu informieren. Nachdem in unserem vorjährigen Symposium die Aufnahme von „Internet Gaming Disorder“ in das amerikanische Klassifikationssystem DSM-5 thematisiert wurde, bezog der Fachverband Medienabhängigkeit e.V. sein 5. Symposium auf den für 2017 erwarteten ICD-11, für den die Aufnahme der Verhaltenssüchte inzwischen ebenfalls diskutiert wird. Entsprechend wurde ein breites Spektrum an internetbasierten Mediennutzungsformen auf ihre Suchtpotentiale und ihre Pathologie hin genauer betrachtet.

Für die Akquise passender Räumlichkeiten, die praktische Vorbereitung und den reibungslosen Ablauf der beiden Veranstaltungstage erhielt der Fachverband in diesem Jahr tatkräftige Unterstützung von der Medizinischen Hochschule Hannover, bei denen wir uns auf diesem Wege noch einmal bedanken möchten. Zudem wurden wir von der Hochschule mit drei Beiträgen aus eigenen Forschungsbereichen unterstützt. So eröffnete Prof. Dr. Tillmann Krüger (Medizinische Hochschule Hannover) die Fachtagung mit einem Vortrag über exzessives Sexualverhalten, in welchem er Definition, Grundlagen und klinische Aspekte darstellte.

Mit dem Thema „Pathologisches Kaufen off- und online“ referierte anschließend PD Dr. Astrid Müller (Medizinische Hochschule Hannover) über eine weitere Verhaltenssucht, die durch die Möglichkeit des Online-Kaufens mit Mediensucht assoziiert ist. Hierbei wurde anhand verschiedener Studien auch der Frage nachgegangen, ob das Internet als Medium von Kaufsüchtigen genutzt wird oder ob Online-Kaufsucht eine spezifische Form der Internetsucht ist. Die vielschichtigen Diskussionen über Browsergames/Free-to-Play-Games wurden im Vortrag von Michael Dreier (Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz) aufgegriffen. Anhand einer Studie konnte u.a. aufgezeigt werden, dass Browsergames als Prädiktor von Mediensucht fungieren können und die Höhe der In-Game-Geldaufwendungen mit der Abhängigkeit von einem Browser-Spiel korreliert. Des Weiteren konnten Aussagen über die Nutzungsmotive von abhängigen Spielern (Frustration und Werbeinitiierung) und deren Symptombelastung getroffen werden. Anhand ihrer Untersuchungsergebnisse präsentierten Michael Dreier et al. Handlungsempfehlungen für den Umgang mit Browsergames (Die aktuellen Handlungsempfehlungen des Fachverband Medienabhängigkeit e.V. finden Sie HIER).

Der Nachmittag des ersten Veranstaltungstages war durch ein hohes Maß an Interaktivität in den drei angebotenen Workshops geprägt. Markus Wirtz (Drogenhilfe Köln) ging in seinem Workshop „Internetsüchtige Mädchen im deutschen Suchthilfesystem“ der Frage nach, warum bisher so wenig weibliche Mediensüchtige professionelle Hilfsangebote in Anspruch nehmen. Hierbei wurden auch Ideen zur besseren Ansprache dieser spezifischen Klientel besprochen. Der Workshop von Jannis Wlachojiannis (Café Beispiellos Berlin) widmete sich dem Thema „Spielimmanente Faktoren, die süchtig machen“ und stellte damit die Verknüpfung zum morgendlichen Vortrag von Michael Dreier über die Suchtmechanismen von Browsergames her. Im dritten Workshop von Dr. Meinolf Bachmann & Andrada El-Akhras (Bernhard-Salzmann Klinik, Gütersloh) „Manualisierte Behandlung Suchtkranker“ schilderten die Referenten ihre jahrelangen therapeutischen Erfahrungen in der Behandlung einer weiteren Verhaltenssucht, dem Pathologischen Glücksspiel.

Für den krönenden Abschluss des Tages hatte sich Frau Dr. Kimberley Young als Pionierin der internationalen Mediensuchtforschung und -behandlung bereiterklärt, in einer Videokonferenz als Referentin für unsere Tagung zur Verfügung zu stehen. Sie berichtete in ihrem Vortrag „Internet Addiction: Evaluation and Treatment“ zunächst anschaulich und lebhaft von ihren Erfahrungen mit dem Thema Mediensucht seit den Anfängen ihrer Forschung in den 90-iger Jahren, um dann den Bogen zur Behandlung von Internetabhängigkeit zu spannen. Neben dem von ihr konzipierten zehntägigen Intensiv-Behandlungskonzept, dem so genannten BRMC-Programm, welches seit 2013 im Center for Internet Addiction in Bradford, USA, umgesetzt wird, erörterte sie auch das Behandlungskonzept einer chinesischen Klinik.

Am Abend freuten sich die zahlreichen Teilnehmer des Symposiums wieder auf den informellen und zwanglosen Austausch beim gemeinsamen Abendessen.

Am zweiten Tag des 5. Symposiums wurden den Teilnehmenden weitere Vorträge rund um das Thema Medienabhängigkeit geboten. Zunächst befasste sich Adrian Groh (Medizinische Hochschule Hannover) in seinem Vortrag mit neurobiologischen Befunden der Mediensuchtforschung und Suchtforschung im Allgemeinen. Anschließend widmete sich Kai Müller (Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin Mainz) in Anknüpfung an das Fazit des vorausgegangenen 4. Symposiums in seinem Vortrag den aktuellen Erkenntnissen zur Validität der diagnostischen Kriterien von Internetsucht.

Für den letzten Vortrag am Vormittag konnte mit Dr. Ellen Helsper (London School of Economics and Political Science) eine weitere internationale Referentin gewonnen werden, die ihren Vortrag „Vulnerability and excessive Internet use in Adolescents“ ebenfalls via Videokonferenz präsentierte. Dr. Helsper stellte eine internationale Studie vor, die in 23 europäischen Ländern durchgeführt wurde und unter präventiven Gesichtspunkten der Frage nachging, welche Faktoren eine Mediensuchtentwicklung begünstigen. Hierbei wurden neben soziodemografischen Aspekten auch Persönlichkeitsmerkmale und die Medienkompetenz der Befragten mit einbezogen. Dabei wurde ein ungewöhnlicher Zusammenhang zwischen psychischer Vulnerabilität und Medienkompetenz festgestellt, der weiterer Forschung bedarf. Dr. Nikolaus Bross und Michael Knothe rundeten den Tag mit ihrem Beitrag „Juristisches zur Mediennutzung und -sucht“ ab und erläuterten Informationen zu Verbraucherschutz, Suchtvorbeugung und Betriebsvereinbarung.