8. Symposium 2017

Auf dem Wege
der Besserung?
Vielfalt der Behandlungs-
möglichkeiten bei Internetabhängigkeit



10.11.2017
Gütersloh

SYMPOSIUMSBERICHT

Angekommen!

Nach Vor einigen Jahren fragten wir uns auf dem Fachverbands -Symposium in Kassel, ob wir mit unseren Verbandsbemühungen endlich „Angekommen!“ seien. Der Anlass war die Aufnahme der „Internet Gaming Disorder“ in den Anhang des DSM-5. Eine wichtige Entscheidung und ein deutliches Signal der APA mit viel Strahlkraft für unsere Arbeit.

Heute, gut vier Jahre und einige Terminverschiebungen später warten wir gespannt auf die Veröffentlichung des ICD-11, welches die WHO für kommendes Jahr angekündigt hat. Die Aufnahme von Internetsucht als eigenständiges Störungsbild wäre nicht nur zu begrüßen, sondern aus unserer Sicht notwendig, um Betroffenen auch zukünftig die bestmögliche Hilfe zukommen zu lassen.

Bei allen (wichtigen) Diskussionen um die offizielle Anerkennung und den damit verbundenen Diagnosekriterien wollten wir auf unserem diesjährigen Symposium jedoch unser Augenmerk nicht auf das richten, was noch fehlt, sondern ganz gezielt auf das, was engagierte Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen Jahren aufgebaut und (weiter-)entwickelt haben – denn dies ist gerade in Anbetracht der oftmals begrenzten Ressourcen eine ganze Menge!
 

Unser Symposium fand diesmal im Tandem mit der Fachtagung „Verhaltenssüchte“ der Bernhard Salzmann Klinik (BSK) in Gütersloh statt. Gleich an zwei Tagen hatten so die rund 120 Teilnehmerinnen und Teilnehmer die Gelegenheit, sich den Themen „Verhaltenssucht“ im Allgemeinen und „Medienabhängigkeit“ im Speziellen zu widmen und sich so vollends auf den aktuellen Stand zu bringen. Durch die freundliche und kollegiale Unterstützung der Bernhard Salzmann Klinik, die im Übrigen selbst schon seit vielen Jahren eine hohe Expertise in der Behandlung von medienabhängigen Personen aufweist, waren wir in der Lage, unser Symposium bei gewohnt hochwertigem Programm zu einem verhältnismäßig günstigen Unkostenbeitrag anbieten zu können. Dafür an dieser Stelle noch einmal einen ganz herzlichen Dank an die Bernhard Salzmann Klinik

In diesem Jahr begann das Symposium bereits am Vorabend. Als vorgezogenes Rahmenprogramm konnten wir ein Stück Berlinale nach Gütersloh holen und zeigten in einer privaten Kinovorstellung den Film Fünf Sterne von Annekatrin Hendel. Ein behutsamer und zugleich schonungsloser Film, der bei allen Anwesenden einen tiefen und bleibenden Eindruck hinterlassen hat. Die Regisseurin war persönlich anwesend und stand nach dem Film für Fragen zur Verfügung.

Am Veranstaltungstag selber stellten wir uns gemeinsam mit allen Teilnehmenden die Frage, ob wir bzw. das Hilfesystem sich „Auf dem Wege der Besserung?“ befindet – eine Frage die, soviel sei vorweg genommen, in Anbetracht der Vielfältigkeit des Programms wohl mit einem deutlichen „Ja“ beantwortet werden kann.

Nach der Begrüßung und den einführenden Worten durch unseren 1. Vorsitzenden, Dr. Detlef Scholz, blickte Dr. Klaus Wölfling gemeinsam mit allen Anwesenden auf knapp zehn (!) Jahre klinische Erfahrung in der Behandlung von medienabhängigen Patientinnen und Patienten in der Ambulanz für Spielsucht in Mainz zurück.

Christian Groß gewährte anschließend einen bemerkenswerten Einblick in seine praktische Arbeit mit medienabhängigen Klienten und ging in seinem Vortrag der Frage nach, wie biografische Schemata in der Behandlung effektiv genutzt werden können.

Mit viel Praxisbezug ging es auch am Nachmittag in den Workshops weiter. Franz Eidenbenz und Dr. Detlef Scholz hatten wirkungsvolle Tipps zum Umgang mit unmotivierten Jugendlichen im Programm und bewiesen im gemeinsamen Rollenspiel, dass es sehr lohnen kann, bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen die ganze Familie in die Beratungsgespräche mit einzubeziehen und dabei auch niemals die kleinen Details aus den Augen zu verlieren. In welcher Reihenfolge lassen Sie zum Beispiel in einem Gespräch die Familienmitglieder zu Wort kommen? Diese und viele andere Fragen muss sich nun keiner der Teilnehmenden dieses Workshops mehr stellen.

PD Dr. Bert te Wildt stellte anhand des OASIS-Projektes der Medienambulanz an der LWL - Uniklinik Bochum fest, dass es sich auch bei einem diagnostischen/ therapeutischen Angebot ganz im Sinne von klassischem „Streetwork“ lohnen kann, die Klienten dort abzuholen, wo sie sind: in diesem Falle im Internet.

Praktisch im wörtlichen Sinne ging es im Workshop von Thomas Woesthoff zu, der die Chancen handlungsorientierter Methoden in der suchttherapeutischen Arbeit mit ganz konkreten Beispielen untermauerte.

Wer den theoretischen Input von Christian Groß am Vormittag noch weiter vertiefen wollte, hatte hierzu ebenso die Gelegenheit und konnte sogar ganz konkrete Tipps aus seiner täglichen Arbeit mit biografischen Schemata und Familiensystemen bei medienabhängigen Patientinnen und Patienten mit nach Hause nehmen.

Abgerundet wurde ein sowieso schon ereignis- und erkenntnisreicher Tag (inklusive Theatervorführung und tanzenden Emojis) durch einen Rück- und Ausblick von Franz Eidenbenz, der mit seiner kurzweiligen Bilderpräsentation zunächst den Blick weit zurück in eine Zeit richtete, wo man unter Fachkollegen mit dem Thema „Computersucht“ bestenfalls den Titel des „Paradiesvogels“ riskierte. Abschließend wagte er einen Ausblick auf das, was möglicherweise irgendwann noch auf uns zukommt. Wohlwissend, dass wir das genau wie damals wahrscheinlich erst so richtig wissen werden, wenn es schon passiert ist.

Nach dem Symposium ist in alter Tradition ja bekanntlich vor dem nächsten Symposium. Aus diesem Grund sei zum Abschluss noch ein kurzer Hinweis auf nächstes Jahr erlaubt. Gleich zwei wichtige Ereignisse fallen 2018 zusammen und bedürfen in vielerlei Hinsicht einer besonderen Beachtung.

Zum einen blicken wir voller Erwartung und Zuversicht auf die kommende Revision des ICD-11 und sind gespannt, in welcher Form das Phänomen „Medienabhängigkeit“ sich darin wiederfinden wird. Zweitens wird der Fachverband Medienabhängigkeit e.V. 10 Jahre alt – in Anbetracht der enormen Schnelllebigkeit der virtuellen Welt eine lange lange lange Zeit. Beides in einem Jahr: Kann das Zufall sein? Für uns ist es jedenfalls mehr als Anlass genug um gebührend zu feiern. Die Planung für ein Symposium der besonderen Art mit einigen Überraschungen läuft bereits auf Hochtouren. Merken Sie sich schon jetzt den 15. und 16. November 2018 vor. Fest steht: Sie dürfen gespannt sein – und wir freuen uns auf ein Wiedersehen!